Unter biologischen Aspekten* wird der Mensch gerne verglichen mit dem Tier. Er ist als körperliches Wesen, als biologischer Organismus ein Teil dieser Welt. Er ist Materie, ein Tier unter Tieren, ein Lebewesen mit Sinnenerlebnissen. Zudem ist er evolutionär aus dem Tier entstanden. Er gehört also mit seinem ganzen Körper in diese Welt, unterliegt ihren Gesetzen. Er ist ein Objekt der Evolution. Was aber ist der Sinn des Lebens für das Tier?

Sinnvolle Aktivitäten für ein Tier sind ausgerichtet auf zwei Punkte: Zum einen auf die Erhaltung des eigenen Leben und zum anderen auf die Erhaltung der Art. Es geht also für ein Tier um einen partikulären Sinn, einen Sinn auf diese Welt hingerichtet. Für das Tier stellt sich nicht die Frage, warum es Tiere überhaupt gibt und nicht vielmehr keine Tiere. Das Tier fragt lediglich nach den Notwendigkeiten des Augenblickes. Sinn des Lebens ist die Lebensbewahrung.

Zu den sinnvollen Aktivitäten zählen damit die Erhaltung der Gesundheit (für das einzelne Tier wie auch für die Art), die Aufrechterhaltung aller Lebensfunktionen (durch Nahrungsaufnahme, ausreichende Ruhephasen, Kommunikation, usw.) und nicht zuletzt die Fortpflanzung. Übertragen auf den Menschen kann dies folgendes bedeuten.

Wenn Hauptbedingung für menschliches Leben die Gesundheit wäre, wenn der Mensch die Gesundheit zum Primat erhebte ("Hauptsache gesund"), dann würde dies zu inhumanen Konsequenzen führen. Menschliches Leid und Krankheit könnten nicht erklärt und toleriert werden. In der Krankheit könnte der Mensch keinen Sinn finden. Es käme zwangsläufig zu einer Unterscheidung zwischen lebenswerten und lebensunwerten Leben.

Unter die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen kann auch das Streben nach Lust und Glück eingeordnet werden. Der Mensch geht seinen Neigungen nach, findet Sinn in allem, was ihn mit Lust erfüllt, was ihn glücklich macht. Es geht dem Menschen um reinen Genuss. Glück und Lust lassen sich jedoch nicht direkt anstreben, sondern nur sind nur über den Umweg eines Sinnes, einer Aufgabe zu erreichen. Der Mensch will letztendlich einen Grund zum glücklich sein. Mit einem Grund, der durch den Willen zum Sinn angestrebt wird, stellt sich auch Glück und Lust ein. Wenn aber Sinn Voraussetzung ist für Glück, so kann Glück nicht der Sinn selber sein. Direkt angesteuert führt das Luststreben leicht zum Vergnügungs- und Drogenkonsum, ohne jedoch existentielle Fragen zu beantworten. Zudem hat sich gezeigt, dass der Mensch typischerweise mehr Unlust- als Lustgefühle verspürt. Wäre also Lust der Sinn, dann würde der Mensch permanent sinnlos leben, denn der Mensch verfehlt das Ziel der Lustgewinnung ständig.

Schliesslich findet der Mensch seinen Lebenssinn auch in der Geburt und Erziehung eigener Kinder. Der Sinn der Fortpflanzung kann wohl die Arterhaltung sein, der Sinn eines Lebens kann auch in den Kindern zu finden sein. Aber dies kann nur der Sinn für den Einzelnen sein, nicht aber der Sinn des Lebens schlechthin. Der letztliche Sinn des Lebens kann nicht in der Fortpflanzung liegen. Denn das Leben ist nicht geschaffen worden, nur um sich selbst am Leben zu erhalten. Fortpflanzung macht ja erst dann einen Sinn, wenn das Leben bereits an sich sinnvoll ist. Wenn das Leben aber keinen anderen Sinn hätte, dann wäre auch die Fortpflanzung sinnlos, denn das Leben der folgenden Generationen wäre ja auch sinnlos. Arterhaltung bis in die Ewigkeit ist für sich allein genommen sinnlos.

Alle diese biologisch begründeten Antworten scheinen den letzten Sinn des Lebens nicht beantworten zu können. Denn sie alle ignorieren die spezifisch menschlichen Eigenschaften. Der Mensch ist eben kein Tier, jedenfalls nicht ein Tier alleine. Der Mensch unterscheidet sich ganz wesentlich von dem Tier.

Die Menschheit ist nicht nur eine Art, der Mensch ist auch als Individuum existent. Der Mensch ist sich seiner selbst bewusst, er kann von sich in der Ich-Person denken und sprechen. Tiere können dies nicht. Der Mensch kann sich von sich selbst distanzieren, sich von aussen betrachten, auch im Spiegel der anderen. Er kann seine individuelle Rolle analysieren und definieren. Über die Bewusstheit und Selbstdistanzierung des Menschen kann sich der einzelne Mensch aus der Menschheit herausheben, sich von ihr unterscheiden. Zwar ist er noch Teil von ihr, aber doch auf eine ganz andere Weise als das Tier. Das Tier ist immer integrer Bestandteil seiner Art. Damit hat der Mensch die Freiheit der Entscheidung. Er kann seine Situation ändern, wenn er sich dazu entschliesst. Er kann sich neu anpassen. Das Tier folgt nur seinem Programm, es kann nicht anders. Der Mensch kann sich seine Programme selber schreiben. Der Mensch ist insofern nicht nur Tier, nicht nur Objekt der Evolution. Als bewusstes, freies und vernünftiges Geisteswesen ist er vielmehr selbst zum Schöpfer geworden, zum Subjekt der Evolution. Er ist nicht mehr Teil der Welt, sondern er weist über diese hinaus.

* Die Sinnfrage kann nicht naturwissenschaftlich erforscht bzw. ein Sinn nicht empirisch bewiesen werden. Aus diesem Grund kann die Biologie und die Evolutionstheorie keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens geben. Vielmehr gibt es auch hier unterschiedliche Positionen, die durch Erkenntnisse aus diesen Wissensgebieten untermauert werden. Die folgenden Argumente stellen insofern nur ein ausgewähltes Kaleidoskop an subjektiven Meinungen wieder.