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Das Wort "Sinn" beschreibt zum einen den Zweck/Daseinsgrund einer Handlung/Sache bzw. seine Funktionalität. Zum anderen bezeichnet Sinn auch die Bedeutung einer Aussage (Wort-, Satzsinn) bzw. die Übereinstimmung der Funktionalität mit einem Wertesystem. Wenn wir zum Beispiel sagen "Das macht keinen Sinn", kann dies zweierlei bedeuten: Einerseits "Das führt doch nicht zum Ziel! / Das wird nicht klappen!", oder auch "Das verstehe ich nicht! / Das finde ich schlecht!".

Der "Sinn des Lebens" bezieht sich auf beide Dimensionen. Zum einen wird gefragt nach dem Ziel und der Funktionalität des menschlichen Lebens: was sollen wir machen auf der Welt, was ist unsere Aufgabe, wozu ist das Leben gut? Zum anderen wird gefragt nach dem Ursprung und der Bedeutung des Lebens: warum gibt es unser Leben, was ist das Leben, welche Stellung nehmen wir im Vergleich zur Welt ein?


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Häufig wird ausschliesslich die erste Dimension bedacht. Dies ist nicht verwunderlich, ist sie doch konkreter und direkter praktisch anwendbar. Wenn der Sinn des Lebens die Fortpflanzung und Arterhaltung wäre, so ergibt sich eine klare Handlungsanweisung für uns: Habt Kinder! Die zweite Dimension hingegen ist abstrakter und schwieriger zu übersetzen in Handlungsanweisungen. Das Sinnkonstrukt des Rationalismus zum Beispiel sieht den Menschen als Herrscher über die Natur. Die Natur ist lediglich Resourcenreservoir für die Menschheit. Daraus lässt sich jedoch nicht einfach eine Handlungsanweisung für den einzelnen Menschen ableiten. In der Tat dominiert im Rationalismus die Suche nach Mitteln zur Zielerreichung, nicht jedoch das Ziel selber. In der Diskussion jedoch fliessen die beiden Dimensionen häufig ineinander über und können nicht klar voneinander getrennt werden.

Eine intensive Auseinandersetzung über den Sinn des Lebens begann gegen Mitte des 19. Jahrhunderts mit der allmählichen Auflösung traditioneller Wertestrukturen und Sinnkonzepte (dies heisst freilich nicht, dass es nicht auch schon vorher Ansichten und Konzepte zur Beantwortung der Frage nach dem Sinn des Lebens gab!). Dies beobachtete Nietzsche, als er vor dem zunehmenden, wertevernichtenden Nihilismus warnte. Entdeckungen und neue Erkenntnisse - z.B. durch Darwins Evolutionstheorie, Galileos Zerstörung des Mythos der Erde als Zentrum der Welt, Freuds Sexualpsychologie oder Einsteins Relativitätstheorie - haben alte Weltbilder des Menschen zerschlagen und erforderten die Neuorientierung von den Vermittlern von Wissen, Werten und Sinn. Konsequenterweise gaben mit zunehmender persönlicher Freiheit die Familie, Kirche, Religion, Konvention, Tradition, Institutionen oder gesellschaftliche und politische Systeme immer weniger Halt. Ursprünglich waren beispielsweise die Rollen in einer Familie klar definiert, Gemeindemitglieder kannten und erfüllten ihre religiösen Pflichten, die Schule forderte vor allem Disziplin und Lerneifer, der Staat schrieb eine bestimmte Lebensphilosophie vor. Die äusseren Verpflichtungen und Bindungen sind heute geringer geworden. Wir haben mehr Entscheidungsfreiheiten für unser eigenes Leben gewonnen. Niemand schreibt uns absolutistisch und doktrinär eine Meinung vor. Mit der persönlichen Freiheit nimmt jedoch auch die persönliche Verantwortung zu, wir sind gefordert eigene Wege und Antworten finden.

Zudem führt die zunehmende Globalisierung und der verbesserte Informationsfluss zu einer neuen Konfrontation unterschiedlicher Kulturen und ihrer Sinndeutungen. Wir kommen im täglichen Leben verstärkt mit verschiedenen Sinnstrukturen in Kontakt. Traditionelle Sinndeutungen werden dadurch vermehrt in Frage gestellt. Wir sind so freiheitlich-liberal, so nonkonform-individualistisch geworden, dass auch der Sinn des Lebens einer persönlichen, neu definierten Bestimmung bedarf.

Dogmatismus, ethische und disziplinarische Zwänge führen dabei eher zu einer Sinn-Krise als zu einer Sinn-Findung. Gefordert ist die offene und kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Sinnkonzepten. Dabei wird es kaum eine universelle Lösung geben: Denn bislang hat die Menschheit die Weltformel nicht gefunden, noch haben wir die Existenz eines Gottes oder auch die Nichtexistenz nicht bewiesen, immer noch gibt es unzählige Geheimnisse in der menschlichen Psyche, bis jetzt haben wir nicht die perfekte politisch-gesellschaftliche Organisationsform gefunden. Endgültig werden wir die Frage nach dem Sinn des Lebens vermutlich niemals lösen können.

Auf den folgenden Seiten geht es daher konsequenterweise darum, die Antworten verschiedener Geistes- und Naturwissenschaften auf die Frage nach dem Sinn des Lebens darzustellen. Dabei können die Ausführungen nur Anhaltspunkte und Anregungen geben zum selbständigen Nachdenken, zur Diskussion und zum vertiefenden Literaturstudium.